Nahm ock Krien

Entstehungsgeschichte von "Nahm ock Krien"

Der Text in der uns hier vorliegenden Form ist ein Konglomerat aus mehreren Volksweisen, die ihren Ursprung sowohl in Josefstal wie auch zumindest in Lautschnei und Tannwald haben. Erstmals in einer gesammelten Form nachweisbar ist das Werk 1940 in Tannwald. In die von uns vorgetragene Version wurden alle bekannten nachgewiesenen Strophen eingebaut. Nach dem aktuellen Forschungsstand ist jedoch zu vermuten, dass das Werk ursprünglich länger war, aus politischen Gründen aber einige Verse entfernt wurden, da nach dem Anschluss des Sudetenlandes an das Deutsche Reich 1938 kritische Äußerungen gegen die damalige Staatsführung nicht opportun waren.

1947 erlangte das Lied in Neugablonz (damals noch Kaufbeuren-Hart) neue Popularität, da die Notlage der Vertriebenen so groß war, dass man sich mit dem Hinweis auf Krien über die eigene Mangelversorgung mit schwarzem Humor hinwegzutrösten half. Wenn etwas fehlte, wenn es an etwas mangelte, war die Standardfloskel: nahm ocke Krien (bekannt ist hier der Ausspruch von Ingenieur Huschka, der einmal sonntags zu seiner Frau gesagt haben soll: „Wenn de kenn Koffie zur Buchte host, donn nahm ocke Krien“).

Um das populäre Volkslied auch konzertant aufführen zu können, beauftragten die  Kamnitztaler 1953 Franz Bönsch, in die vorhandenen Passagen des Originals für die kleine Bläserbesetzung einen dialogischen Solopart für Klarinette und Saxophon einzubauen. Diese Aufgabe erfüllte der ausgebildete Konzertmusiker zur vollsten Zufriedenheit. Es gelang Franz Bönsch, der sowohl in seiner eigenen Tanzkombo „Amapola“ wie auch in der Musikkapelle Neugablonz Saxophon und Klarinette spielte, diese Konversation zwischen den beiden Instrumenten so zu gestalten, dass nicht nur die Komplexität der Ausarbeitung Laien und Fachleute begeisterte. Lokale Berühmtheit erlangte Franz Bönsch vor allem durch die alleinige Vorführung beider Stimmen durch ihn selbst, wobei die Präzision im Instrumentenwechsel ebenso erstaunlich war wie die Virtuosität seiner Vorführung, die trotz der Dauer des Soloparts von knapp achtzehn Minuten keine Langeweile aufkommen ließ.

Wie genau dieses Lied nun in die Hände von JJ Cale gelangte, ist nicht mehr schlüssig nachvollziehbar. Die am besten belegte Theorie geht davon aus, dass der amerikanische Künstler, der seit 1958 an seiner Karriere bastelte, in Chicago Kontakt hatte zu dem sudetendeutschen Konzertpianisten Oskar Maschek, der nach seiner Auswanderung nach Amerika ab 1947 als Jazzpianist in Chicago tätig war und in unterschiedlichen Besetzungen sein Auskommen (respektive Einkommen) suchte. JJ Cale übernahm die Melodie des Liedes, wandelte aber lautmalerisch die Forderung nach Krien ab, da ihm dieses Genussmittel fremd war. Wie sehr er sich in der Konsistenz des Krien irrte, lässt sein Titel „Cocaine“ vermuten. Der kleine Soloteil für Stromgitarre, den JJ Cale einbaute, zeugt im Übrigen davon, dass er keine Kenntnis  von der komplexen Überarbeitung Franz Bönschs hatte.

Heute ist nicht nur die Version JJ Cales von 1976, sondern vor allem die 1980 veröffentlichte Cover-Version von Eric Clapton bekannt. Das sudetendeutsche Original hat leider nie den Weg in die nationalen oder internationalen Hitparaden gefunden.

Neugablonz, 02.04.2013

 

Vorherige Seite: Liedgut Nächste Seite: Witzforschung